Wenn keiner hier ein Nazi war

Im November 1950 kam ich nach Jever zurück
und in den ersten Jahren nach meiner Rückkehr aus der Verbannung
tänzelte absolut jede Person ständig um mich herum
und ohne zu fragen, ob ich es wissen wollte, wollte niemand ein Nazi sein

wenn keiner hier ein Nazi war dann war ich eben der einzige

in der Kneipe „Zur Börse“ standen vier Typen an der Theke
und als ich reinkam sagte Schmied Schulze sofort zu mir
„dich hätten se man auch vergasen sollen und vorher hättest du kastriert werden müssen“
ich war immer schlagfertig aber jetzt konsterniert

wenn keiner hier ein Nazi war dann war ich eben der einzige

nach lautlosen Sekunden erklärte ich dann dem Schmied
„dass du mich umbringen willst, kann ich gut verstehen
denn deine Frau, die liebt mich so sehr, ihre Augen kullern, wenn sie mich sieht
früher hat man sich duelliert, aber du hättest mich gerne rassistisch ermordet“

wenn keiner hier ein Nazi war dann war ich eben der einzige

in der Gaststätte „Schütting“ pöbelte Bauer Janssen mich an
„ich habe noch Kisten zu Hause, mit Seife aus Judenkadaver"
Ich erwiderte nur „Juden konnte man zur Seife gebrauchen,
aber Nazis wären selbst dafür nicht gut, weil sie ansteckend sind.“

wenn keiner hier ein Nazi war dann war ich eben der einzige

immer wieder hörte ich „Levy, du bist ein Blutsauger,
denn wir müssen arbeiten, nur damit du Geld bekommst“
Ich sagte: „Ich wäre doch ein Lump, wenn ich arbeiten würde.
Das Geld hab ich euch schon weggenommen, dann muss ich die Arbeit euch doch lassen.“

wenn keiner hier ein Nazi war dann war ich eben der einzige

Text: Fritz Levy 1963, Musik: Iko Andrae, Andreas Bahlmann, Eckhard Harjes